Dem einen geht es einfach von der Hand, der andere scheut sich davor. Verhandlungsgespräche führen – z.B. über Vertragsabschlüsse, schwierige Finanzierungen, neue Arbeitsprozesse oder inakzeptable Verhaltensweisen – fällt nicht jedem leicht. Wer in einem Unternehmen eine Führungsposition einnehmen möchte, der wird schwierigen Verhandlungssituationen kaum entkommen können. Die weltweit meistgenutzte Verhandlungsmethode – das Harvard-Konzept der sachgerechten Verhandlungsführung – gibt den Verhandlungspartnern eine professionelle Reflexion und Orientierung für die eigenen Verhandlungsstrategien.
☞ Tipps für den Umgang mit schwierigen Menschen in schwieirgen Gesprächen
Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens müssen Führungskräfte in Verhandlungsgesprächen ihre Souveränität unter Beweis stellen. Wer dabei effektiv und erfolgreich sein möchte, der muss einen kühlen Kopf bewahren und selbstbewusst und zielsicher agieren. Wer sein Verhandlungsgeschick überprüfen und optimieren und mit neuen Verhandlungsstrategien überzeugen möchte, dem bietet das breite Feld der Rhetorik und Kommunikation einige Möglichkeiten. Ein Konzept, das sich im Bereich der Verhandlungsführung besonders bewährt hat, ist das Harvard-Konzept.
Verhandlungsführung mit dem Harvard-Konzept
Sicher, souverän, effektiv und erfolgreich verhandeln und agieren
Als Führungskraft ist man häufig Verhandlungssituationen ausgesetzt. Das kann mit Kunden, Vorgesetzten, Projektpartnern, Mitarbeitern oder auch den eigenen Kollegen sein.
Auch in schwierigen Situationen erfolgreich verhandeln und mit flexiblem und kreativem Verhandlungsgeschick gewünschte Ergebnisse erzielen – eine Fähigkeit, die sich jeder wünscht, der häufig am Verhandlungstisch sitzt. Dabei ist es nie leicht Verhandlungen zu führen.
Denn jeder Verhandlungspartner möchte seine Position vertreten. Dabei kommt es nicht selten zu Situationen, in denen die Hindernisse unüberwindbar erscheinen. Vor allem dann, wenn Ihr Gegenüber sich in einer strategisch sehr guten Position befindet und verhandlungssicher ist.
Doch mit Hilfe der Harvard-Methode wird es Ihnen gelingen, mit Ihrem starken Gesprächspartner auf einer Augenhöhe zu sein. Mit dieser strukturierten Vorgehensweise lernen Sie Ihre Interessen und Ziele durchzusetzen. Sie erfahren, wie Sie in Verhandlungen standhaft bleiben und dabei trotzdem in der Lage sind, Ihre Beziehung zum Verhandlungspartner positiv zu beeinflussen:
Das Harvard-Konzept
Entwickelt wurde das Harvard-Konzept in den frühen Achtzigern vom Harvard-Rechtswissenschaftler Roger Fisher. Ursprünglich ging es um die Frage: Kann man eine wissenachftlich fundierte und effektive Verhandlungstechnik entwickeln? Schließlich galt lange die Meinung, man müsse „hart“ verhandeln, den eigenen Erfolg um jeden Preis anstreben und die Gegenseite mit allen Mitteln „besiegen“. Andere Empfehlungen lauteten, „weich“ zu verhandeln, um die gute Beziehung zur Gegenseite bloß nicht zu gefährden und in der Sache eher großzügig zu sein.
Lesen Sie zu diesem Thema auch unsere Blog-Artikel:
- Respektvolle Kommeunikation als Führungsinstrument
- Emotionale Intelligenz – Wie Sie soziale Inkompetenz vermeiden
Im interdisziplinären Forschungsprojekt von Fisher wurden zahlreiche Verhandlungen aus den verschiedensten Bereichen (Diplomatie, Mediation, Geschäftsverhandlung, etc.) unter die Lupe genommen. Die Verhandlungen wurden intensiv ausgewertet und dahingehend untersucht, welche Faktoren zu erfolgreichen Verhandlungen beitragen und was Misserfolge in Verhandlungen herbeiführt. Gemeinsam mit Bruce Patton und William Ury gab Fisher 1981 ein Buch mit den Forschungsergebnissen heraus. Dieses Buch wurde zum Bestseller und ist bis heute das weltweit meistverkaufte Buch zum Thema „Verhandlungsführung“.
Der Grundgedanke dieser Methode lautet:
„Seien Sie hart in der Sache und weich mit den Menschen!“
Im Wesentlichen basiert das Harvard-Konzept auf den folgenden 4 Grundprinzipien:
- Menschen und Probleme werden getrennt voneinander behandelt.
- Verhandelt werden Interessen und niemals Positionen (Forderungen).
- Die Optionen und Verhandlungsresultate müssen für alle Seiten von Vorteil sein („Win-Win-Situation“).
- Das Ergebnis muss von beiden Seiten objektiv bewertet und als fair und neutral angesehen werden.
Kern des Harvard-Konzeptes sind die beiden erstgenannten Grundprinzipien. Durch diese Prinzipien wird gewährleistet, dass jede Verhandlung sachlich bleibt. Das führt nachweislich zu besseren Ergebnissen.
Das Harvard-Konzept anhand eines Fallbeispiels richtig anwenden
Fallbeispiel:
Sie, als Führungskraft, möchten eine Gehaltserhöhung von 500€. Ihr Chef ist aber maximal bereit, 100€ draufzulegen. Wenn nun Sie oder beide Seiten mit einer Extremposition einsteigen, werden Sie sich in den meisten Fällen in der Mitte einigen. Im Endeffekt verlieren so aber beide Seiten ihr Gesicht, da man seine erste Position verteidigen und die Gegenposition angreifen muss und am Ende keiner die ursprüngliche Position halten kann. Eventuell haben Sie eine Gehaltserhöhung erkämpft, die Ihren Vorstellungen immer noch nicht entspricht. Ihr Chef hat Ihnen stattdessen mehr Gehalt zugesichert, als er eigentlich bereit war zu geben.
Folge:
Die Vertrauensbasis für die zukünftige Zusammenarbeit beider Parteien wurde geschädigt. Beide Seiten sind unzufrieden mit dem Verhandlungsergebnis und alle Beteiligten fühlen sich ungerecht behandelt.
Alle 4 Grundprinzipien des Harvard-Konzeptes wurden vernachlässigt!
1. Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln!
Es geht nicht um die Person, mit der Sie verhandeln, sondern um ein bestimmtes Anliegen, für das eine Lösung gesucht wird. Dennoch sollte aber das Interesse an der Beziehung zur Gegenseite gezeigt werden, um eine Vertrauensbasis für eventuell folgende Gespräche zu schaffen. Viele Menschen neigen in Verhandlungen allerdings dazu, mit dem Feilschen zu beginnen und infolge dessen persönlich zu werden. D.h.: Man möchte seinem Gegenüber um jeden Preis seine Ansicht vermitteln und aufzwängen. Um dies zu verhindern, betrachten wir nun den nächsten Punkt.
2. Interessen verhandeln, niemals Positionen!
Positionen sind konkrete Forderungen (hier: Gehaltserhöhung), mit denen man nicht in Verhandlungen einsteigen sollte. Um das Grundproblem der Verhandlung zu ermitteln, ist es notwendig, die Interessen des anderen zu erkennen. Wenn man sich dieser Interessen bewusst ist, lässt es sich bedeutend leichter verhandeln.
Mögliche Verhandlungsinteressen beider Parteien:
- Möglicherweise muss Ihr Chef gerade selbst sparen und kann deshalb nicht so viel zahlen
- Sie sind demotiviert, da Sie bereits seit vielen Jahren ein treuer, kompetenter Mitarbeiter sind und noch immer zu den gleichen Konditionen wie vor 2 Jahren arbeiten.
Nur wenn die Motive des jeweiligen Gegenübers offen und ehrlich in den Mittelpunkt des Gesprächs gestellt werden, können eine oder sogar mehrere Lösungen ausgehandelt werden, die beide Seiten akzeptieren können. Sie vermitteln Ihrem Gegenüber, dass Sie ihn respektieren, verstehen und auch an seiner Problemlösung interessiert sind. So werden Sie sich mit der eigenen Forderung später durchsetzen, indem Sie zunächst das Problem des Anderen lösen.
Die Lösung könnte in diesem Fall also sein, dass Sie zunächst auf die Gehaltserhöhung verzichten und diese mit Ihrem Chef für einen späteren Zeitpunkt vereinbaren.
Denkbar wären stattdessen andere Möglichkeiten: z.B. zwei zusätzliche freie Tage pro Monat, eine 4,5-Tage-Woche statt der üblichen 5-Tage-Woche oder eine Erhöhung der Urlaubstage. Oder Sie rollen die Diskussion aus einem anderen Blickwinkel auf und überlegen gemeinsam, was Sie tun können, um Ihrem Chef 500 EUR mehr Gehalt wert zu sein.
Verhandlungen scheitern oft daran, dass sich beide Seiten nur mit ihrer Position beschäftigen und die Verhandlung als Entweder-Oder-Lösung sehen. Das Harvard-Konzept schafft es, dieses Denkmuster zu brechen.
3. „Win-Win“ – ein Ergebnis, das alle zu Gewinnern macht!
Kaum eine Methode hat die Verhandlungsstrategien in der Vergangenheit so beeinflusst wie das mittlerweile schon legendäre Harvard-Konzept und das Erschaffen der sogenannten „Win-Win-Situation”. Mit der Win-Win Methode stellen Sie beide Verhandlungspartner zufrieden. Am Ende geht jeder als Gewinner vom Platz.
Mit Hilfe der Harvard-Methode lassen sich Ihre Produkte verkaufen, Ihre Dienstleistungen vermarkten und private Konflikte lösen. Egal, ob in der Arbeit, unter Freunden oder daheim am Küchentisch: Wenn Sie oft verhandeln müssen, werden Ihnen die Lehren des Harvard-Konzeptes zweifelsfrei weiterhelfen.
Auf unser Fallbeispiel bezogen:
Sie sind durch mehr Freizeit wieder motivierter und ausgelassener in Ihrem Job, während Ihr Chef weiterhin sparen kann. Oder Sie übernehmen ein konkretes Projekt, dass Ihrer Firma bei gutem Gelingen satte Gewinne verspricht und Ihnen die gewünschte Gehaltserhöhung.
4. Das Ergebnis muss von beiden Seiten objektiv bewertet und als fair und neutral angesehen werden!
Überprüfen Sie abschließend das ausgehandelte Ergebnis, um sicherzustellen, dass beide Parteien gleichermaßen zufrieden gestellt sind und sich niemand benachteiligt fühlt. Um dies objektiv und neutral beurteilen zu können, können Sie folgende Hilfsmittel hinzuziehen:
- Schriftliche Verträge
- Erfahrungsberichte (z.B. von Kunden oder Kollegen)
- Dritte Personen, wie bspw. Mediatoren (Streitschlichter), Experten usw.
Versuchen Sie es! Stärken Sie Ihr Verhandlungsgeschick mit Hilfe der Harvard-Verhandlungstechnik und entwickeln Sie eine wirkungsvolle Verhandlungsführung. Bereiten Sie sich effektiv auf die nächste Verhandlung vor und versuchen Sie, diese ganz bewusst, sachlich und lösungsorientiert zu führen. Wenn Sie die erlernten Verhandlungsstile situativ einsetzen, werden Sie deutlich mehr Verhandlungserfolge haben. Denn Sie werden wirkungsvoller argumentieren, zielstrebiger verhandeln und zusätzlich eine vertrauensvolle Beziehung mit Ihrem Verhandlungspartner erschaffen.
Weitere Blogartikel zur Verbesserung Ihrer Verhandlungskompetenzen finden Sie hier:
Bilddokument : Fotolia_46645626